2017

11.06.2017

Gestern kam ich in einen unerwarteten musikalischen Genuss! 

DIE SINTFLUT


Bei diesem schönen Wetter unternahmen wir einen Ausflug nach Potsdam und gingen spazieren im Park Sanssouci... 




Der Park ist wirklich wunderschön.
Und er enthält  neben dem (erstaunlich zierlichen) Schloss Sanssouci einige interessante Bauwerke.

Dies hier zum Beispiel: das Chinesische Teehaus  (ich weiß nicht, ob das Bauamt meine Einfamilienhaus-Replik durchgehen ließe..)

Ein Hauch von Las Vegas...?


Ups!

Und das hier.  Komisches Haus, nahe des ,,Neuen Palais"...




So, nun aber zur Sache!
Denn sonst gehörte dies ja eher in den Bereich ,,Ausflugstip".
Unsere Reise nach Potsdam, das sich nach und nach tatsächlich in Protzdam verwandelt,....



...hatte nämlich einen bestimmten Grund.

Und  der fand in der Friedenskirche statt.








,,Il diluvio universale"

Hier wurde  das Oratorium  ,,Il diluvio universale"  (,,Die Sintflut")  von Michelangelo Falvetti (1642 - 1692) aufgeführt. 




Ich wusste gar nicht, was ich zu erwarten hatte.
Aber ich war hinterher wirklich sehr begeistert! 

 



Geschichte 

Im Jahr 1682 war es uraufgeführt worden. 
Dann verschwand es für Jahrhunderte im Orkus der Geschichte.*
Aber, es zeigte sich, dass der Orkus der Geschichte bisweilen Löcher hat...

Nach 300 Jahren hat es ein Musikwissenschaftler in einer Bibliothek wiederentdeckt! 
(Ein  weiteres Exemplar  wurde  wahrscheinlich 1908 von einem Tsunami weggeschwemmt).

Ein besonderes Verdienst gebührt wohl  Leonardo Garcia Alarcón, der auch heute dirigiert.

Zitat
Weit über 300 Jahre schlummerte dieses Juwel ... in einer Bibliothek von Messina ...
bis die Partitur von dem Musikwissenschaftler Nicolò Macavino ausgegraben und 
2010 von Leonardo Garcia Alarcón und seiner Capella Mediterranea... wachgeküsst
wurde....
[aus dem Programmheft]

So schreibt das Programmheft  ,,Ein Meisterwerk taucht wieder auf!"  (pun intended) 




Besetzung

Es treten auf: Noah und seine Frau Rad, Gott, der Tod, das Wasser, die Menschliche Natur, die göttliche Gerechtigkeit...
Zitat
Il Diluvio Universale
Oratorium für Soli, Chor und Orchester von Michelangelo Falvetti (1642-1692)
Libretto von Vincenzo Giattini

Dio -- Matteo Bellotto, Bass
Rad -- Roberta Mameli, Sopran
Noé -- Fernando Guimarães, Tenor
La Giustizia Divina -- Evelyn Ramirez Muños, Alt
La Morte -- Fabián Schofrin, Countertenor
La Natura Humana -- Emmanuelle de Negri, Sopran
L' Acqua -- Magali Arnault-Stanczak, Sopran  [heute Amélie Renglet]

CAPPELLA MEDITERRANEA
CHŒUR DE CHAMBRE DE NAMUR

Musikalische Leitung: Leonardo García Alarcón

http://www.musikfestspiele-potsdam.de/programm-karten/programm/veranstaltung/die-sintflut.html
 



Inhalt

Das  Oratorium ist nicht sehr lang (ca. 80 min), es geht um nichts weniger als die große Sintflut und den Untergang der Welt - und dies wird ohne Umschweife aber mit viel Pathos in vier Szenen erzählt...
Die deutsche Übersetzung der Texte  im Programmheft enthält  durchaus Komik. Ich weiß allerdings nicht, ob das zur Zeit der Entstehung auch so verstanden worden ist...  -  oder ob das nur an der Übersetzung liegt...?  (leider ist mein Italienisch zu schlecht)
 
Im Programmheft ist angedeutet, dass  das Werk damals auch eine politische Dimension gehabt haben könnte -  und sich womöglich  subtil gegen die Spanische Besetzung Messinas richtete, gegen die es damals Aufstände und einen regelrechten Bürgerkrieg gegeben hat....
Aber die Spanier waren vermutlich zu blöd, die durchaus vorhandene Ironie zu bemerken....

Zitat
Religiös verbrämte  Polit-Propaganda in Form eines Oratoriums, das
vom göttlichen Strafgericht über eine aufmüpfige Menschheit erzählt,
dürfte in dieser Situation ganz nach dem Geschmack der spanischen
Machthaber gewesen sein.... 

...aber der Komponist...  erzählt seine ,,Sintflut" letztlich weniger von einem
göttlichen Strafgericht aus als von der Bewährungsprobe rechtschaffener und
gottesfürchtiger Menschen,  bei der willkürliche ...  ,,höhere Mächte" ein
zwiespältiges, ja lächerliches Bild abgeben...

-

..Alle fünf allegorischen Figuren schaukeln sich einander dabei gegenseitig
derart hoch in ihrer Empörung und Rachelust, dass sie groteske Züge erhalten,
Im völligen Kontrast dazu steht die schlichte Aufrichtigkeit Noahs und seiner Frau Rad....

-

Dann folgt der große Moment des Todes: Bleich und auf seine Sense
gestützt hinkend, feiert er seine Sternstunde in einem einzigen großen
Totentanz...  als zynische lebensfroh-volkstümliche Tarantella... 

...Aber der Tod hat seine Rechnung ohne die Liebe gemacht...

[aus dem Programmheft]


Mehr Info:
https://de.wikipedia.org/wiki/Il_diluvio_universale_(Falvetti)
http://www.allmusic.com/album/michelangelo-falvetti-il-diluvio-universale-mw0002214145
http://www.omm.de/veranstaltungen/festspiele2014/DO-2014-il-diluvio-universale.html




Konzert

Bevor es losgeht, wartet man im Foyer....



...und flaniert im Park...


Der Deutschlandfunk überträgt



Deshalb wird darauf hingewiesen, Handy abzustellen.
Auch soll man keine Fotos + Aufnahmen  machen. Das wird zwar nicht kontrolliert, aber wir halten uns (mehr oder weniger) dran.


Die Musik und Instrumentierung sind nicht rein "klassisch", sondern enthalten auch folkloristische Elemente. 
Und hübsch-bizarr ist die  Idee, den  ,,Tod" von einem Countertenor singen zu lassen. Dieser kam übrigens sehr stark geschminkt, in schwarzer Kutte und die Sense schwingend durch die Mitte... 
(...wobei  ich hörte, dass zur Barockzeit die Heldenrollen meist von hohen Stimmen [Kastraten?] und die Schurkenrollen vom Bass gesungen wurden...   [...hier ist Gott der Bass..])

Stellenweise klang die Musik in meinen Ohren fast "modern"  - mit den etwas angeschrägten Harmonien... der ungewöhnlichen Instrumentierung + dem Trommeleinsatz.... oder auch dem bisweilen sehr temperamentvollen Gesang...  



Ein verstohlenes Foto, als ,,der Tod" hereinschlich...




Als die Sängerinnen den  einen ,,Song" (anders kann ich's nicht nennen) aus dem letzten Akt nochmal als Zugabe zum Besten gaben, fing das Publikum an, zu tänzeln und mitzuklatschen.


Nun noch ein paar Fotos vom Ende des Konzertes:






Alle waren begeistert  :D



Der Merchandise erstickte unter dem Ansturm, dass nur noch Adressen aufgeschrieben wurden.
Die CD war ausverkauft.



https://www.amazon.de/Michelangelo-Falvetti-Il-diluvio-universale/dp/B00AVCGWHM/ref=sr_1_1?




...und so schwebten Publikum und Musiker nach dem Konzert hinaus in den lauen Sommerabend...



...   :) 




Hier Videos früherer Aufführungen:

Ist das nicht wunderschön?  *schnüff*
YOUTUBE_LINK



Hier sieht man ein kurzes Audience-Snippet desselben Liedes mit der gestrigen Besetzung,
 im  Mai in Genf aufgenommen (und von der einen Sopranistin in die Tube gestellt): 
YOUTUBE_LINK
https://www.evensi.ch/falvetti-il-diluvio-universale-



Hier kann man das ganze Oratorium sehen (vermutlich 2010, laut Abspann) :
YOUTUBE_LINK
(ab 1:22 ein "making of")



Vor 335 Jahren war die Uraufführung.
Friedrich der Große  (1712 - 1786) wurde erst vor 305 Jahren geboren.
Auf diesem Denkmal steht als Geburtsjahr 1710. Aber das ist wohl falsch


Er kriegt übrigens keine Milch+Paprika auf's Grab, sondern Kartoffeln.


Was er wohl dazu sagen würde?


Vielleicht ist er ja gestern incognito hiergewesen, mit dieser auch von außen sehr geräumigen Turdis, die vor der Tür geparkt war...  









* Da können wir ja noch hoffen bezüglich verschollener Bowiewerke.



PS..








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Dr. Z. 2017
first published on Davidbowie.de, 2017
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